»Das besondere Objekt« rückt für einen Zeitraum von drei bis vier Monaten immer wieder neue Objekte oder Objektensembles ins Blickfeld der Besucherinnen und Besucher des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr an seinem Standort Dresden. Dieses Format erlaubt, bemerkenswerte Neuerwerbungen oder Schenkungen vorzustellen, Gedenktermine oder historische Persönlichkeiten zu würdigen, aber auch Hintergrundinformationen zu aktuellen Ereignissen anzubieten. »Das besondere Objekt« wird in einem kleinen Rahmen dem Anspruch des Museums gerecht, sichtbar zu machen, was aus der Geschichte übrigblieb, oder, was aus unserer Zeit an künftige Generationen überliefert werden wird. Durch die Kuratorinnen und Kuratoren des Museums werden sie zum »Sprechen« gebracht. Das besondere Objekt wird stets im Eingangsbereich des Museums platziert sein.
Headerbild: Ehren- oder Mitgliedsabzeichen des Königlichen Albertvereins für Krankenpflege, Königreich Sachsen, nach 1867 © MHM
»Die Organisation der freiwilligen Krankenpflege kann nur im Kriege ihre Feuerprobe bestehen.« Marie Simon, 11. August 1870
Das Rote Kreuz entstand 1863 auf Betreiben des Schweizer Geschäftsmanns Henry Dunant. 1859 wurde er Zeuge der Schlacht von Solferino und der katastrophalen Lage der verwundeten Soldaten. Er forderte »die kriegsführenden Armeen durch Korps freiwilliger Krankenpfleger zu unterstützen« und die Gründung privater Hilfsgesellschaften. Eine Kernforderung war die Unantastbarkeit verwundeter Soldaten, der Ärzte und die unterschiedslose Pflege der Soldaten aller Kriegsparteien.
Marie Simon (1824–1877) gilt als Mitbegründerin des Roten Kreuzes in Sachsen. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass die freiwillige Krankenpflege als vollwertiger und eigenständiger Beruf im 19. Jahrhundert anerkannt wurde. 1824 in der Nähe von Bautzen im sorbischen Doberschau (Dobruša) geboren, brachte Marie Simon sich als junge Frau selbst Grundkenntnisse der Krankenpflege bei. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Friedrich Simon betrieb sie ab 1846 am Altmarkt in Dresden ein Wäschegeschäft.
Preußen und Österreich kämpften im Sommer 1866 um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Die entscheidende Schlacht fand im böhmischen Königgrätz, 200 Kilometer südöstlich von Dresden, statt. Das Königreich Sachsen kämpfte auf der Seite Österreichs. Preußen ging als Sieger aus den Kämpfen hervor, an denen rund 400.000 Soldaten beteiligt waren. Die militärischen Sanitätsdienste auf beiden Seiten waren mit der Versorgung der knapp 14.000 verwundeten Soldaten völlig überfordert, da eine fehlende Vorbereitung die Ersthilfe massiv erschwerte. Marie Simon reiste auf die Schlachtfelder nach Königgrätz in Böhmen und fand dort hunderte unversorgte und schwer verwundete Soldaten vor. Sie bestand beim Rücktransport der Männer darauf, nicht nur sächsische, sondern auch gegnerische preußische Soldaten zu versorgen. Für diese Hilfsbereitschaft erhielt sie im Herbst 1867 in Paris auf der internationalen Konferenz der Hilfsvereine die Goldmedaille. Im Laufe ihres Lebens sollten zahlreiche hohe nationale und internationale Auszeichnungen folgen. Kronprinzessin Carola berief in Dresden Marie Simon in das Direktorium des 1867 gegründeten Albertvereins, dem Frauenverein des Roten Kreuzes in Sachsen. Seinen ersten großen Einsatz hatte der Verein im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, in dem Marie Simon gemeinsam mit sechs Krankenschwestern sieben Monate im Dauereinsatz tätig war. In Frankreich half sie den Verwundeten, organisierte den Einsatz von Pflegekräften an der Front und koordinierte die Verpflegung. Nach dem Ende des Krieges setzte sie sich für die Gründung einer Heil- und Ausbildungsstätte für Krankenpflege in Dresden-Loschwitz ein. Marie Simon starb 1877 mit 52 Jahren an einer Nierenentzündung.
Lange in Vergessenheit geraten, erfolgte in den vergangenen Jahren die historische Einordnung ihres Wirkens und ihrer Verdienste um die freiwillige Krankenpflege. So vergibt seit 2014 die Berliner Pflegekonferenz jährlich den Marie-Simon-Preis für innovative Pflegeprojekte. Ihr stark verwittertes Grab auf dem Dresdner Trinitatisfriedhof wurde 2024 restauriert.
Bildnachweis: Marie Simon auf der Titelseite der Frauenzeitschrift »Der Bazar«, Deutsches Reich, 15. Januar 1872 © Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, urn:nbn:de:hbz:061:1-608208